Bezirksamt will Ortskern vor "dem Ausbluten schützen"

Bezirksbürgermeister Oliver Igel zur Ortsentwicklung

Müggelheimer Bote: Die Schließung von Edeka zum Jahresende scheint unausweichlich. Kennen Sie den aktuellen Stand bzw. wissen Sie, was der Konsum dort plant?

Oliver Igel: Der derzeitige Betreiber hat weiterhin kein förmliches Baugesuch eingereicht, sich jedoch im September 2015 mündlich beraten lassen. Das Stadtentwicklungsamt hegt die Hoffnung, dass der Standort erhalten bleibt.

Nachdem bereits das italienische Restaurant im benachbarten Müggelhof geschlossen hat, schließt nun zum Jahresende auch der alteingesessene Elektrikladen Nötzel auf der anderen Seite. Auch andere Geschäfte stehen unseres Wissens kurz vor dem Aus. Das ehemalige Zentrum Müggelheims entwickelt sich zu einer großen Brache. Inwiefern kann der Bezirk Hilfestellungen leisten, um dem Geschäftesterben Einhalt zu gebieten?

Das Bezirksamt beobachtet die Entwicklung ebenfalls mit Sorge. Das Bezirksamt kann jedoch keine aktive Ansiedlungspolitik betreiben und einem Ladeninhaber vorschreiben, wo er ein Geschäft eröffnen soll. Das Bezirksamt kann aber steuern, wo sich KEIN Einzelhandel ansiedeln soll, um die bestehenden Zentren zu stärken. Dazu hat das Stadtentwicklungsamt ein bezirkliches Zentren- und Einzelhandelskonzept erarbeiten lassen, das gegenwärtig aktualisiert wird. Darin ist der Ortskern von Müggelheim unter Einbeziehung der wesentlichen Grundversorger vor Ort als Nahversorgungszentrum ausgewiesen. Damit hat das Bezirksamt, die Möglichkeit, den Ortskern vor einem Ausbluten zu schützen: Einzelhandelsansiedlungen außerhalb des Zentrums in sogenannten Streulagen sollen verhindert werden, um den Abfluss von Kaufkraft zu vermeiden.

Ein bisschen sind auch die Müggelheimer selbst in der Verantwortung: Jedes Mal, wenn sie das Auto stehen lassen und zunächst versuchen, ihre Bedarfe vor Ort zu decken, stärken sie die lokalen Strukturen.

Durch diese Verschlechterung der Infrastruktur ist zu befürchten, dass sich die soziale Struktur Müggelheims verschlechtert. Gibt es bereits Tendenzen festzustellen, die diesen Prozess verdeutlichen?

Müggelheim ist eine Bezirksregion mit einem relativ kontinuierlichen Einwohnerzuwachs in den letzten zehn Jahren, dessen Dynamik sich aber in den letzten zwei Jahren bis hin zur Stagnation abgeschwächt hat.

Der Zuwachs an Kindern unter sechs Jahren machte im Jahr 2013 eine Veränderung von über 7 Prozent an der Gruppe der 0 bis 6 Jährigen aus, dies deutet darauf hin, dass sich dort zunehmend junge Familien ansiedeln bzw. vermehrt Kinder in der Region Müggelheim geboren werden. Durch weitere Nachverdichtung sind hier v.a. kurz und mittelfristig zusätzliche Potentiale zu erwarten.

Damit ist auch der Bedarf an Kindertagesbetreuung gestiegen. Aktuell konnte das Angebot durch die Neueröffnung einer Kindertagesstätte (Müggellandstr. 8-10) verbessert werden. Immer noch steht jedoch nur für rund die Hälfte der Müggelheimer Kinder (0-6 Jahre) wohnortnah ein Betreuungsplatz zur Verfügung. Die Betreuung erfolgt in den angrenzenden Bezirksregionen, schwerpunktmäßig in Köpenick Süd. Zusätzliche Betreuungsplätze sind in Müggelheim dringend erforderlich.

Neben der Sicherung der Angebote in den angrenzenden Ortslagen für Müggelheimer Kinder erfolgt daher durch die Fachverwaltung (JugPLan) die Prüfung des Ausbaus der Tagespflege und die Unterstützung der Planung zum Neubau einer Kita mit 60 Plätzen durch die Sozialdiakonische Arbeit Berlin gGmbH und die evangelische Kirchengemeinde Müggelheim.

Auch der Erhalt/Sicherung der Jugendfreizeitstätte im Ortsteil wird angestrebt. Insgesamt sind mittelfristig aufgrund der Alterung auch Angebote für Senioren aus- bzw. aufzubauen.

Alle Einwohner Müggelheims wohnen in einem Gebiet mit einem hohen Sozialindex. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den letzten fünf Jahren um über vier Prozent gestiegen, der Anteil der Arbeitslosen in Müggelheim ist nur halb so hoch wie in anderen Regionen Treptow-Köpenicks bzw. Berlins. Auch die soziale Situation von Kindern und Jugendlichen anhand der im Profil ausgewerteten SGB II und SGB III Daten kann mit "gut" bewertet werden. Auch die Anzahl der, von Transferleistungen abhängigen, Seniorinnen und Senioren ist sehr gering, so dass hier ebenfalls von einer wirtschaftlich stabilen Situation der über 65-Jährigen auszugehen ist.

Um nicht ein reines "Schlafdorf" zu werden, wären wirtschaftliche Impulse nötig, beispielsweise eine Förderung des Tourismus. Ein wichtiger Aspekt wäre dafür auch der lange angestrebte Bootsanlegesteg am Ende der Großen Krampe. Wie ist da, bzw. auch beim angedachten Fähranleger, der Stand der Dinge? Inwieweit können Maßnahmen forciert werden?

Erklärtes Ziel ist es, Müggelheim als Freizeit- und Naherholungsstandort zu fördern. Insbesondere der Ausbau der touristischen Infrastruktur steht dabei im Fokus.

Vorrangig ist ein Erhalt der bestehenden ÖPNV-Anbindungen bzw. der saisonalen Nutzung der Ruderfähre F24. Die Schaffung von Angeboten für den ruhenden Verkehr muss in Verbindung mit Straßenumgestaltungen mitbedacht werden. Ein öffentlicher Steg an der Großen Krampe für touristische Zwecke ist in Planung, sowie langfristig die Erweiterung der BVG-Anbindung der Fähre F21 vom Anger Richtung Krampenburg durch eine Fähranlegestelle am Müggelheimer Anger. Die ergänzende Aufstellung von Fahrrad­abstellmöglichkeiten, vor allem an den Umsteigepunkten des ÖPNV (Haltestelle Müggellandstraße, Ortsausgang Müggelheim Richtung Köpenick), am Anger und an den Freizeitbereichen (Krampenburg/Kuhle Wampe, Badestellen Kleiner Müggelsee) werden angestrebt. Die Einrichtung einer Leiteinrichtung (Orientierungshilfe) zu Freizeitstandorten ist notwendig, damit die Zielsetzung der Tourismusförderung erfolgreich ist. Die Umsetzung der Tourismusstrategie der sog. "Wirtschaftsdienlichen Maßnahmen" 2015-2025 soll mit der Einbindung in Routen des Wasserwanderns und des sonstigen Wassertourismus erfolgen.

Zur Fährverlängerung der Linie F 21: Aus verkehrsplanerischer Sicht wird die Verlängerung der Fährverbindung F 21 von Schmöckwitz über Krampenburg zum Anger Müggelheim eindeutig begrüßt.Auch wird hier die Anordnung eines öffentlichen/BVG-Steges in jeglichen Planungen aufgenommen und beachtet.

Durch SenStadtUm und BVG wird die Planung grundsätzlich verfolgt, jedoch kann gegenwärtig keine Zeitplanung benannt werden. Grundvoraussetzung ist die Sicherung und Finanzierung eines Steges und dann der Erschließungsleistung.

Die Verwendung der Finanzmittel bei Aufgabe der gegenwärtigen Fährverbindung F 11/ Baumschulenweg sind, wenn die Aufgabe nach Verkehrsübergabe der SOV/1. Abschnitt ansteht, zu prüfen. Erst dann kann auch geklärt werden, ob eine Verlängerung der F21 innerhalb des heutigen Leistungsvolumens der F21 ausgeglichen werden muss oder ob zusätzliche Leistungen möglich sind.

Die Fragen stellte Simone Jacobius