Alfred der Gartenzwerg

Abenteuer im Müggelwald

von Anne Müller

Irgendwo in Müggelheim zog ein ordentlicher Herr in ein neues sauberes Haus. Er brachte aus seiner Heimat das weiße Mobiliar, einen riesigen Flachbildschirm und eine nachgeahmte griechische Statue für den Garten mit sowie ein Erbstück seiner verstorbenen Tante: den Gartenzwerg Alfred.

Alfred wuchs in einer vornehmen Düsseldorfer Vorortsiedlung auf und kannte gepflegte Gärten, flüsternde Gartenbesucher und sämtliche aktuellen Aktienkurse. Vor zwei Jahren war er in den Besitz des ordentlichen Herren gekommen, und er freute sich, nun endlich die öden und kleinen Vorgärten der Kleinstadt, in dem der Herr zuvor lebte, zu verlassen. Das neue Haus in Müggelheim stand auf einer dünnen Rasenfläche, die der Herr mit Hingabe pflegte. Sämtliches Unkraut war vernichtet worden, die Schnecken und das böse Nagegetier ausgemerzt. Nur ein kleiner Buchsbaum ragte noch aus einem Kübel hervor. Der Herr platzierte Alfred in der Mitte des Gartens und so genoss er diesen sauberen Anblick der perfekten Reinrasenkultur jeden Tag.

Doch es sollte anders kommen. Der Herr fuhr eines Tages für lange Zeit in den Urlaub oder zur Dienstreise und Alfred blieb allein zurück. Ein böser Junge aus der Nachbarschaft sah Alfred, wie er so allein in der Gartenmitte thronte und platzierte ihn um in den Garten der Familie Fröhlich. Alfred erwachte in der Frühe und erblickte entsetzt das verwilderte Grundstück. Es überkam ihn das Grausen. Wilde Kiefersprösslinge eroberten dort das Gelände zusammen mit der borstigen Robinie und Millionen kleiner Essigbäume. In der Nähe stand ein Holzschuppen und direkt neben ihm befand sich ein furchtbar stinkender Komposthaufen. Tausende Mücken tanzten dort wild umher und ein blasser Engerling namens Egon feierte dort anscheinend gerade seine Geburtstagsfeier. Sie riefen Alfred zu, ob er auch etwas von der Torte und dem Grillfleisch probieren möge, die oben auf dem Kompost ausgeschüttet rumlagen. "Wie widerlich!", dachte Alfred angeekelt und schloss seine Augen. Der Herr würde sicher bald wiederkommen und ihn da raus holen. Aber er kam nicht und so stand Alfred viele Tage und Nächte an dem Komposthaufen der Fröhlichs. Er hatte die Mücken, Egon und die gesamten Regenwurmfamilien beleidigt und beschlossen, kein Wort mehr mit diesem Ungetier zu reden.

Die herzensgute Nacktschnecke Frieda kroch eines späten Regentages zu ihm herüber und versuchte Alfred von der herrlichen Vielfalt und Natur des Gartens zu überzeugen. Sie erzählte ihm von den wunderbaren Familienfeiern und Festschmausen, den lustigen Versteckspielen unter den Essigbäumchen, den spannenden Kämpfen zwischen den Fröhlichs und den Mücken und den romantischen Klängen der Grillen in der Abendstunde.

Alfred wünschte sich nur das blaue Schneckenkorn herbei und schickte die gutmütige Frieda zum Teufel. Viele Tage vergingen, bis der ordentliche Herr zurückkam. Er schimpfte laut mit dem Putzpersonal und ärgerte sich über die zahlreichen Gänseblümchen auf dem Reinstrasen. Alfred vernahm alsbald wieder die vertrauten Geräusche des Rasenmähers und anderem lauten Gerät sowie den herrlichen Duft der vielen Gifte und Chemikalien, die überhaupt gegen alles außer dem Einkeimblattrasen gerichtet waren.

Doch er war beunruhigt. Der Herr hatte ihn immer noch nicht gefunden und zurück gebracht. An seiner früheren Stelle stand nun die unechte griechische Statue. Alfred wilderte langsam zu und Moos bedeckte seine rote Zipfelmütze. Die Kompostgemeinde lachte nur noch über ihn und rief: "Hey, Herr Nachbar, wir sind aber heut wieder grün zugewachsen!" Eines Tages fand der kleine Junge der Familie den armen Alfred, säuberte ihn und setzte ihn an die Terrasse. Seitdem erfreut er dort die lustige Familie und viele Gäste. Und obwohl er immer noch an die glanzvollen Düsseldorfer Zeiten zurückdenkt, scheint es, als trage er an manchen Tagen ein Lächeln im Gesicht.