Dorfanger soll schöner werden

Großer Andrang bei der Ortsteilkonferenz

von Simone Jacobius und Norman Rönz

Solch einen Andrang gab es in Müggelheim schon lange nicht mehr bei einer Veranstaltung. Die Ortsteilkonferenz am 7. Juli in der Grundschule brach alle Rekorde. Bis auf den letzten Platz war die Aula belegt, mehr wurden nicht eingelassen. Bezirksbürgermeister Oliver Igel sagte in seiner Begrüßung: "In Ortsteilen mit dörflichen Strukturen haben wir die Erfahrung gemacht, dass das ganze Dorf kommt. In anderen Ortsteilen gibt es nicht so eine tiefe Verbundenheit zum Wohnort. Das bestätigt sich auch hier wieder."

Ziel der Ortsteilkonferenz war es, sich ein Bild über unseren Ort zu erarbeiten, ein Profil zu erstellen, Defizite zu erkennen und Handlungsempfehlungen festzulegen. Mitarbeiter der Verwaltung und Bewohner sollten dabei Hand in Hand arbeiten. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen zu vier Themenkomplexen sollen dann in der Bezirksverordnetenversammlung beraten und teilweise innerhalb der nächsten fünf Jahre bearbeitet werden.

Doch bevor es zu den vier Scherpunkt-Foren kam, stellte die für unseren Ort zuständige Sozialraumkoordinatorin Jaqueline Kreische Müggelheim in einer kurzen Präsentation vor. In Form eines "Spazierganges" wurden Zahlen, Daten und Fakten dargelegt (siehe Kasten), aber auch Institutionen und Vereine vorgestellt.

Einige "Brennpunkte" wurden dem Bezirksamt im Vorfeld schon mitgeteilt und versucht zu klären. So soll die Odernheimer Straße mittelfristig einen "vernünftigen Querschnitt" bekommen, wie die Leiterin des Stadtplanungsamtes, Beate Szulzewsky, sagt. Sie meint damit die Schaffung von Fuß- und Radwegen zur Schulwegsicherung.

Auch der Dorfanger soll denkmalgerecht neu gestaltetet werden mit neuen Grünflächen und neuen Geh- und Radwegen. Überlegt werde, die Maßnahmen aus städtebaulichen Fördermitteln entsprechend der Erhaltungsverordnung zu finanzieren.

Auch in Sachen Fähre ist das Bezirksamt weiter in Gesprächen mit der BVG. Geplant ist, die F 21 weiter nach Müggelheim-Dorf zu verlängern. Dafür würde dann auch ein Steg gebaut werden, der aber wiederum nur für die BVG-Nutzung sei. Allerdings, räumt Frau Szulzewsky ein, sei das kein Thema, was schon in den nächsten zwei, drei Jahren realisiert werden könne.

Die komplette Dokumentation zur Ortsteilkonferenz ist im Internet unter www.berlin.de/tk-spk zu finden. Einfach unter dem Stichwort Regionen auf Müggelheim klicken.

Zahlen, Daten, Fakten zu Müggelheim

  • 6.522 Einwohner (Stand 31.12.14), davon 63,2 % zwischen 18 und 65 Jahren; Senioren über 65 gibt es 29,3 %.
  • Die Zahl der Kita-Kinder steigt kontinuierlich seit 2008, liegt aber noch unter dem Durchschnitt von Treptow-Köpenick und Berlin. Dennoch gibt es eine Unterdeckung in der Versorgung mit Kita-Plätzen.
  • Es gibt sehr wenig Kinder unter 15 Jahren, die Hartz IV-Empfänger sind
  • Nur wenige Kinder, die Förderbedarf haben (sprachlich oder motorisch)
  • Ein sehr hoher Anteil der Müggelheimer Kinder besucht mindestens zwei Jahre lang die Kita
  • Sehr geringe Arbeitslosigkeit
  • Beschäftigungssituation im Ort ist sehr gut, ähnlich wie im Gesamtbezirk, aber sehr viel höher als in ganz Berlin

Forum Senioren: Hilfe zur Selbsthilfe

Eine kleine aber effektive Runde traf sich im Forum I "Wohnen und Leben im Alter in Müggelheim". Gefragt waren vor allem die Älteren danach, wie sie sich ein Leben im Alter in unserem Ortsteil vorstellen könnten. Als Gesprächspartner standen Anke Weber von der Kontaktstelle Pflegeengagement, Petra Hübel vom Sozialamt des Bezirks und Patrick Brendel vom Pflegestützpunkt Treptow-Köpenick zur Verfügung.

Die Zielgabe war klar: Die meisten älteren Müggelheimer möchten im Ort wohnen bleiben, doch eine Möglichkeit zum altersgerechten Wohnen gibt es nicht. Dennoch gibt es viele Hilfsmöglichkeiten, die Senioren das Leben im eigenen Heim erleichtern. Eine Auflistung darüber wird demnächst im Müggelheimer Boten veröffentlicht werden, es reicht von Transportfahrten und Einkaufshilfen bis zu Hausbesuchen. Außerdem wurde beschlossen, ein kleines Netzwerk zu schaffen, beziehungsweise einen runden Tisch zu den Themen Ehrenamt, altersgerechtes Wohnen und Wohngemeinschaften.

Forum Ortsgestaltung: Probleme sind Dreck und Raserei

Es war mit das vollste Forum. Zum Thema Ortsteilgestaltung wollten viele Müggelheimer mitreden. Hier konnte man hören, wo der Schuh drückte. Vor allem im Bereich Straßenverkehr gab es viele Anregungen. So wurde die Raserei im Ort von vielen Anwesenden bemängelt, in der sie ein gravierendes Problem für die Sicherheit sahen. Dazu gehörten sämtliche Straßen im Ort, nicht nur der Dorfanger und der Bereich vor der Schule. Im Bereich der Schule wurden Straßenverengungen angeregt, aber auch das Aufstellen eines digitalen Geschwindigkeitsschildes. Für den Anger könnten stationäre Blitzer aufgestellt werden, wie man sie aus vielen kleinen Ortschaften kennt. Ein Müggelheimer sprach auch ein intelligentes Einbahnstraßensystem an, um die Situation zu entschärfen. Eine Sache, die ohne große Umbauten möglich wäre.

Ein anderes Problem ist die Parkplatzsituation am Kleinen Müggelsee. Inzwischen parken die Badenden mit ihren Autos auch den Hirseländer Weg zu, teilweise direkt vor irgendwelchen Einfahrten. Auch Rettungsfahrzeuge würden häufig durch parkende Autos behindert werden. Und das wiederum kann Menschenleben kosten. Hier wurden rigorosere Kontrollen bis hin zum Abschleppen angeregt.

Auch die Radwegesituation im Ort wurde bemängelt. So wurde ein vernünftiges Radwegeleitsystem gefordert. Zu häufig wären die Wege in schlechtem Zustand oder Radler müssten plötzlich die Straßenseite wechseln. Wir berichteten bereits im Müggelheimer Boten über das Problem. Fakt sei jedenfalls, so betonte es der anwesende Polizeibeamte nochmals, dass nur Kinder bis zum Alter von zehn Jahren auf den Gehwegen fahren dürften. Alle anderen – auch Senioren – müssten auf die Straße ausweichen, wenn es keine Radwege gäbe.

Vom Moderator Bastian Ignaszewski wurde die Bildung einer Runde von Müggelheimern angeregt, die speziell Vorschläge zum Thema Verkehr zusammenfassen und im Bezirksamt vorschlagen sollen.

Die Unzufriedenheit mit der Gestaltung des Dorfangers wurde von vielen Seiten angesprochen. Das Thema ist im Bezirksamt bereits bekannt und soll, wie eingangs geschrieben, auch angegangen werden.

Ein Thema war auch der Dreck an den badestellen und anderswo im Ort. Hier wurde vom Bezirksamt zum verstärkten ehrenamtlichen Einsatz der Bevölkerung aufgerufen. Ziel könnte die Bildung einer Gruppe "Kehrenbürger" sein – Reinigungsutensilien würde die Berliner Stadtreinigung kostenlos unter www.kehrenbuerger zur Verfügung stellen.

Forum Kinder- und Jugendfreizeit: Jugendclub stärker fordern

Schon die Präsentation der für Müggelheim zuständigen Regionalkoordinatorin, Jacqueline Kreische, hat ein erfreuliches Bild auf die Familien- und Kindersituation vor Ort geworfen. Beispielsweise liegen sowohl die Altersarmut als auch die Arbeitslosigkeit weit unter dem Wert von Treptow-Köpenick und sehr weit unter dem Berliner. Wenn man dann noch bedenkt, dass der Prozentsatz der Einschüler, die länger als 2 Jahre eine Kita besucht haben, bei fast 95 Prozent liegt, dann ergibt dies ein rundes Bild: Großeltern, deren Rente zum Leben ausreicht – Elternhäuser, die im Beruf stehen – Kinder, die schon vor Schuleintritt über mehrere Jahre in einem sozialen Gefüge unter Gleichaltrigen heranwachsen und gefördert werden. Das Ergebnis lässt sich ebenfalls sehen: Weniger als fünf Prozent der Müggelheimer Einschüler haben Sprach- bzw. motorische Defizite, was widerum weit unter den Vergleichswerten zu Treptow-Köpenick und Berlin liegt.

Die Voraussetzungen sind grundsätzlich sehr gut. Die Grundschule rundet das Paket der kindlichen Erziehung hervorragend ab. Dennoch gibt es Optimierungsbedarf und Diskussionspotenzial in Bezug auf die Kinder- und Jugendfreizeit. Die Teilnehmer des zweiten Forums haben herausgearbeitet, dass Müggelheim außerschulisch ein begrenztes Angebot sowohl im entgeltlichen Bereich (Kanu, Tennis, Karate, Tanzschule, Hockey) wie auch im kostenfreien (zwei Spielplätze, Jugendclub) hat.

Sehr schnell fokussierte sich das Gespräch auf den Jugendclub Mügge e.V. Hier erkannten alle Teilnehmer ein großes Potenzial. Aktuell steht es um den Ruf des Jugendclubs nicht zum Besten und auch die derzeitigen Clubgänger sind wohl kaum noch als Jugendliche zu bezeichnen. Der Jugendclub muss, sofern er weiterbestehen möchte, einen Wandel in den nächsten Jahren vollziehen. Ein erstes Ziel war es, den zukünftigen Generationen den Club durch Tage der offenen Tür oder weitere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen nahe zu bringen. Speziell eine Senkung des Einstiegsalters in Kombination mit neuen Inhalten könnte die Räumlichkeiten für Lückekinder besonders attraktiv machen.

Eine zukünftige Kooperation zwischen dem Jugendclub, der Grundschule und in einzelnen Fällen auch schon mit den Kitas wurde ins Auge gefasst. Ein erstes Projekt könnte die Teilnahme des Jugendclubs am Schulhoffest der Grundschule am 26. September sein.

Neben betreuten Freizeitmöglichkeiten kam auch der Wunsch nach einem "Bolzplatz" auf. Um es nicht auf Fußball zu begrenzen, wurde die Möglichkeit einer Kombinationsanlage aus Fußball und Basketball aufgezeigt. Als Ort wäre der Bereich vor dem Erlebnisspielplatz an der Odernheimer Straße geeignet.

Ebenfalls besprochen wurde die Umsetzung eines Flyers zur Kinder- und Jugendfreizeit. Frau Indetzki vom Amt für Weiterbildung und Kultur hat mitgeteilt, dass es in der Musikschule (Freiheit in Alt-Köpenick) derzeit ausreichend freie Plätze gibt. Frau Müller, Vorsitzende des KSC Kanu, hat darauf hingewiesen, dass der Kanuverein wieder aktiv Kindersport betreibt und Kinder jederzeit für Kurse angemeldet werden können.

Forum Lebensqualität: Welche Auswirkungen hat der BER?

In dieser sehr lebhaften und gut besuchten Diskussionsrunde über die Faktoren, die zu einer guten Lebensqualität gehören (u.a. Gesundheit, Infrastruktur, Umwelt, Kulturangebote, Attraktivität z.B. im Hinblick auf Erholung oder Tourismus) wurde sehr schnell deutlich, dass jeder Bereich des Lebens in Müggelheim einschneidend negativ beeinflusst wird durch den zu erwartenden Flugverkehr am neuen Flughafen BER. Eingefordert wurde insbesondere eine stärkere Anteilnahme des Bezirkes für die Sorgen der Müggelheimer mit Blick auf den in wenigen Jahren eröffnenden Flughafen, sei es mit größerer Transparenz bzgl. des zu erwartenden Lärms oder mit der Offenlegung eines Krisenplans (was, wenn ein Flugzeug hier abstürzt?)

In dem von Hilla Uppenkamp, BVBB Ortsgruppe Müggelheim, moderierten Forum wurde z.B. der Vorschlag gemacht, das Gesundheitsmonitoring, welches schon 2002 in der Praxis von Frau Dr. Miermeister gemacht wurde, mit demselben Personenkreis wieder aufzunehmen und mehr Müggelheimer zu integrieren, um die Auswirkungen des Flugverkehrs auf die Gesundheit (Stress, Herzinfarkt, Schlaganfall,) zu dokumentieren. Auch forderten die Teilnehmer, die auf Müggelheim "niederrieselnden" Immissionen für Mensch und Natur zu untersuchen. Die Teilnehmer machten deutlich, dass Müggelheim seine Bedeutung als Naherholungsort verlieren wird; Anbieter von Ferienwohnungen z.B. beklagten ein schon jetzt rückläufiges Interesse, in Müggelheim Urlaub zu machen.

Eine wichtige Rolle spielte die Angst, dass die enormen Nutzungseinschränkungen in den Gärten und Freiflächen eine völlige Verarmung der Kommunikationen mit sich bringen wird. Gefordert wurde, dass man mit entsprechenden Investitionen für Freizeitzentren für Jung und Alt, oder neuen Angeboten für ein kulturelles, sportliches (Hallensport!) und Vereinsleben wenigstens etwas gegensteuert. Es wird befürchtet, dass sich die sozialen Beziehungen und auch die Sozialstruktur des Ortsteiles verändern werden.

Der Vorsitzende der Bürgerinitiative Müggelheim (BIM e.V.) Norbert Gustmann, stellte abschließend im Plenum der Ortsteilkonferenz die Forderungen des Forums vor:

Zu den Themen Gesundheit, Soziales, Umwelt, Kultur, Naherholung/Tourismus und Stadtentwicklung sollen in den nächsten Monaten bürgeroffene Fachberatungen gemeinsam mit den Fachabteilungen des Bezirksamtes und Ausschüssen der BVV und den Bürgerinitiativen/Vereinen durchgeführt werden.

Das Bezirksamt ernennt einen Verantwortlichen für alle Fragen, die die Bürger im Zusammenhang mit den Folgen des Flughafenausbaus haben

Das Bezirksamt richtet eine Internetseite ein, mit der flughafenunabhängig die Bürger über alle aktuellen Fragen informiert werden, wie z.B. Lärm-und Immissionskartierungen, tatsächliche Flugroutenverläufe, Folgen der Verlängerung der Startbahn Nord

Diese Forderungen fanden einstimmige Zustimmung, mit großer Mehrheit auch der Vorschlag, eine Umweltabgabe am BER einzuführen und die Einnahmen direkt den betroffenen Gemeinden und Ortsteilen zur Verfügung zu stellen, um mit entsprechenden Maßnahmen und Investitionen den Einschränkungen der Lebensqualität entgegenzuwirken.