MR Dr. Förster – ein Arzt mit Leib und Seele

von Pamela Hauth

Mit Doktor Rolf Förster sitze ich im Esszimmer seines Hauses. Während die Frühlingssonne in den Raum scheint, erzählt er mir aus seinem Leben. Er wurde am heiligen Weihnachtstag im Jahre 1939 in der Lutherstadt Wittenberg geboren. Seine Eltern, sein großer Bruder und er bewohnten dort bis 1946 ein Reihenhaus mit Garten. In seinen ersten sechs Lebensjahren erlebt er hautnah die kriegerischen Auseinandersetzungen des Zweiten Weltkrieges. So gehören zu seinen Kindheitserinnerungen auch verletzte Soldaten der Armee Wenck, die sich in seinem Elternhaus versuchen von ihren Verletzungen zu erholen. Manche Soldaten schaffen es nicht. Das Haus nebenan wird durch eine Brandbombe zerstört. Mit viel Glück wird sein Elternhaus verschont. Diese Erinnerungen sitzen tief in ihm. Er kann das abscheuliche Verhalten der Nazis bis heute nicht verkraften. Er denkt viel darüber nach und engagiert sich aktiv in der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft. Vielleicht war es das, oder das Pflegen seiner kranken Großmutter, was ihn dazu veranlasste, mit Leib und Seele Arzt zu werden und nicht Lehrer, was er sich hätte auch vorstellen können. 

Bereits mit 18 Jahren beginnt er in Halle an der Martin-Luther-Universität sein Medizinstudium. An der Universität sind jedoch zu viele Studenten und so wechselt er nach Greifswald. "In Greifswald gab es rund 100 Studenten. Da kannte jeder Professor uns mit Namen. Es war ein schönes Lernen, klein aber oho" sagt er. In Greifswald legt er nach fünf Jahren sein Staatsexamen ab und promoviert. Viele seiner Studienfreunde bleiben an der Küste. "Ich wollte eigentlich auch immer gerne zur Küste, am liebsten auf die Insel Hiddensee. Dort wäre ich in meinem Element gewesen. Weil ich alles hätte selber machen müssen, zu einem anderen Arzt überweisen geht dort ja nicht." Ein Freund aus dem Studium, der Amtsarzt wurde, sagt ihm später, dass er ihn auf Hiddensee gebraucht hätte. "Ich bin ein Ostseefan, meinen Urlaub verbringe ich immer an der Ostsee. In Wustrow in der Kunstscheune. Meine Frau malt ja auch", sagt er glücklich.

Seine Famulaturen (die vormedizinischen Praktika) und Pflicht-Assistenzzeiten macht er in vielen kleinen Krankenhäusern. Große Freude bereitet es ihm, wenn nur wenige Chirurgen vor Ort sind und er viel lernen kann. Er möchte am OP-Tisch assistieren und darf, weil er sehr fleißig war, als Belohnung, Blinddarm und Leistenbrüche selbst operieren. Natürlich unter der Leitung des Chef-Chirurgen. "Das stärkt das Selbstwertgefühl", sagt er. Seine Ausbildung im Unfallkrankenhaus Pankow hat er später wegen eines Bandscheibenvorfalls abbrechen müssen, da es ihm nicht mehr möglich war, am OP-Tisch zu stehen.

Während seiner Ausbildungszeit in Wolgast musste er im Winter zu einer Hausentbindung. Mit einem Kettenfahrzeug wurde er dafür nach Trassenheide gefahren. Er sagt heute darüber: "Ich hatte noch nie so viel Angst wie damals, ganz frisch vom Studium. Es war zwar eine Hebamme dabei, aber trotzdem. Hier Herr Doktor ist die Zange, meinte die Hebamme. Es ging aber alles gut, denn es war ja eine Mehrgebärende."

Seine berühmte Spritzen-Technik lernt er in Wittenberg bei Peter Dosch, "Der hat die großen Lehrbücher geschrieben. In ganz Wittenberg wurde diese Injektionstechnik gemacht, auch am Krankenhaus, wo ich oft famulierte", erzählt Dr. Förster. Er lernt bei Peter Dosch gezielt zu spritzen und zwar an den Ort, wo es den Patienten schmerzt. Man wird später über ihn sagen, er sei der "Spritzendoktor" mit der "Dawosschen-Regel" also "Da wo es weh tut".

Er macht das Facharztexamen für Sportmedizin und ist damit einer der Ersten von Dreien in der DDR. Für die Sportmedizin ist er nach Berlin gekommen, das war damals nur hier möglich, sagt er.

Nach der Facharztausbildung zum Sportmediziner war er 1968 verantwortlich für die höhenklimatische Vorbereitung der DDR-Sportler auf die Olympiade in Mexiko. Da er nach einem laut geäußerten Protest im Zusammenhang mit dem Prager Frühling, als ein "labiler Faktor für den Klassenfeind" gesehen wurde, musste er seine Olympiakleidung gleich wieder abgeben. Daraufhin sagt er "nun könnt ihr mich mal, dann werde ich eben richtiger Arzt und versorge Patienten".

Dafür jedoch braucht er die Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Diese Ausbildung beendet er nach einem Jahr erfolgreich: nachts fuhr er Rettungswagen, an den Wochenenden arbeitete er im Unfallkrankenhaus Pankow und tagsüber absolvierte er die fehlenden Pflichtfächer.

Als Facharzt für Allgemeinmedizin schickte der Amtsarzt von Köpenick ihn 1970 nach Müggelheim. Denn hier wurde ein Arzt gebraucht, der physisch und auch psychisch den vielen Einwohnern (bis zu 20.000 Menschen, durch die vielen Campingplätze) gewachsen war. Die Vorgängerinnen waren überlastet. Von nun an hat Dr. Rolf Förster in den Sommermonaten auch mit Zeltplatz- und Wochenendbesuchern reichlich zu tun. Von der KWV (Kommunale Wohnungsverwaltung in der DDR) bekommt er ein kleines Haus in Müggelheim zugewiesen. So zieht er mit seiner Frau Monika von der Schönhauser Allee nach Müggelheim.

Mit einem ausgedruckten Ortsplan und einem alten Saporoshez wird er sich nun für die zahlreichen Hausbesuche zwischen Straßen mit Buchstaben und Zahlen zurechtfinden. Im Weg E fährt er gleich zu Beginn mit dem Saporoshez gegen einen Zaun. "Ich hatte doch noch gar keine Fahrpraxis", sagt er. Und in strengen Wintern absolvierte er notwenige Hausbesuche sogar mit Langlaufskiern.

Hier in Müggelheim arbeitet er bald mit Schwester Inge. Sie werden fast 30 Jahre zusammenarbeiten. Von ihr ist Dr. Förster begeistert und schwärmt noch heute von ihrer Arbeitseinstellung und ihrem außerordentlichen Fleiß, Einsatz, Wissen und Können. Er spricht von ihr mit großer Dankbarkeit. Er sagt "mein Erfolg hat auch mit ihrer Arbeitsleistung zu tun". Denn Schwester Inge unterstützte auch die enorm frühen Öffnungszeiten der Praxis. Nach der Maueröffnung war es so möglich, noch vor der Arbeit die Praxis aufzusuchen, nämlich täglich ab 5.30 Uhr morgens. Zweimal in der Woche konnte man bis 20 Uhr in die Praxis kommen. Auch am Samstag bis 12 Uhr war ein Arztbesuch bei ihm möglich.

Während der Praxisjahre bildet sich Dr. Förster fortwährend weiter. Er wird Lektor für Neuraltherapie, Chirotherapie und Schmerztherapie. Auch gibt er für seine Kollegen Weiterbildungen in Wochenendkursen. Er arbeitet nachts in Köpenick in der Rettungsstelle und morgens in seiner Praxis. Vor dem Mauerfall und auch noch danach.

Viele seiner Patienten betreute er bis zu ihrem Lebensende. Für seine Sterbebegleitung hatten die Angehörigen selbstverständlich auch seine private Telefonnummer. "Das waren meine Patienten. Ich habe sie doch nicht alleine gelassen. Ich konnte nicht zulassen, dass ein fremder Arzt, der meine Patienten nicht kannte, diese so wichtige Handlung übernimmt. Es war mir ein dringendes Bedürfnis, meine Patienten bis zum Ende zu begleiten. Denn ich liebte meinen Beruf und habe ihn auch immer ernst genommen", sagt Dr. Förster. Seine Müggelheimer Praxis übergibt er 2003 nach 33 Jahren Tätigkeit in Müggelheim.

Mit seinen heute 76 Jahren ist er noch immer sportlich aktiv. Er schwimmt mehrfach die Woche 3000 Meter im FEZ. Er sagt: "Inaktivität verkürzt das Leben. Bewegung ist das A und O auch für die Selbstheilungskräfte. Auch für Leute mit psychischen Problemen ist ein leichter Ausdauersport ideal. Zum Beispiel Schwimmen, Skilanglauf, Walking und Radfahren. Die Belastung sollte so sein, dass man sich beim Bewegen noch unterhalten und die Umgebung wahrnehmen kann. Extremsport ist nicht so gut."

Er befindet sich noch immer im "Unruhezustand". So hat er zum Beispiel über zwei Jahre lang die Bundesliga Volleyballerinnen des KSC ehrenamtlich betreut. Und er hat viele Vertretungssprechstunden in ganz Berlin durchgeführt.

Noch heute lehnt er keinen Patienten ab, der bei ihm zu Hause klingelt. Auch hatte er sich als Vertretungsarzt bei den heute ansässigen Müggelheimer Ärzten angeboten. Schade findet er, dass sein Angebot bis heute nicht angenommen wird. Seit Mai arbeitet er mittwochs in einer Praxis in Köpenick an der Bahnhofsstraße. Natürlich wird er dort speziell für Erkrankungen des Bewegungsapparats aufgesucht, seinem Spezialgebiet.

Außerdem veröffentlichte er in verschiedenen Fachzeitschriften medizinische Arbeiten.

Sein größter Wunsch ist, dass seine Erkenntnisse nicht verloren gehen. Er möchte sehr gerne seine Erfahrungen und sein Wissen noch vielen Patienten und Ärzten zur Verfügung stellen.

Er ist eben Arzt mit Leib und Seele.