Geschichten aus dem Müggelwald

Die roten Fransen und das Rotkehlchen auf der Terrasse

von Ingrid Zweiniger

"Trabbi, kannst du mir mal erklären, warum diese roten Fransen vor unseren Fenstern hängen? Sind das Gardinen, so nennt mn doch die Stoffetzen vor den Fenstern, oder?"

"Also bevor ich dir erkläre, wozu die roten Fransen da sind, muss ich dir noch sagen, dass du ein bisschen ordentlicher sprechen musst. Gardinen sind keine Stofffetzen, Gardinen sind eine Dekoration vor den Fenstern. Alles klar, Fritzi?"

"Alles klar Trabbi. Aber nun komm endlich zu den Fransen."

"Fritzi, hast du dir schon mal unsere Fenster angeschaut? Wir haben keine Gardinen, weil wir die Natur sehen wollen, die uns umgibt. Und dadurch sind die Fenster klar und durchsichtig und das ist für Vögel eine Falle. Das heißt, sie fliegen gegen die Fensterscheiben und können sich dadurch verletzen oder auch sterben. Und deshalb sind die roten Fransen am Fenster. Die Fransen halten die Vögel davon ab gegen das Fenster zu fliegen. Wir wollen doch nicht, dass unsere Piepchen Aua aua kriegen."

"Trabbi, du hast mir mal wieder bewiesen, dass du der schlaue Köter aus dem Müggelwald bist. Danke für deine Unterrichtsstunde."

Ein paar Tage nach diesem Gespräch hatten Trabbi und Fritzi ein Erlebnis. Es war am frühen Morgen. Herrchen, Frauchen, Trabbi und Fritzi waren noch im Haus. Alles war gemütlich. Die Sonne wanderte langsam am Himmel entlang und kam in den Müggelwald. Keine Flugzeuge waren am Himmel und deshalb konnte man auch die Vögel zwitschern hören. Plötzlich gab es einen lauten Knall an dem großen Terrassenfenster.

Trabbi und Fritzi waren neugierig. Sie rannten ans Fenster und sahen einen Vogel auf der Terrasse liegen.

"Trabbi, was ist jetzt passiert, das ist ja schrecklich." Trabbi blieb sprachlos. Fritzi drängelte: "Trabbi, jetzt sag mir endlich, was hier passiert ist."

"Na das siehst du doch, ein Vogel liegt tot auf der Terrasse."

"Aber wie kann so etwas passieren?"

"Er ist gegen das Fenster geflogen. Deshalb auch der Knall den wir gehört haben."

"Aber Trabbi, da stimmt doch was nicht. Du hast gesagt, die roten Fransen vor den Fenstern schützen die Vögel, damit sie nicht gegen die Fenster fliegen. Stimmt also gar nicht, denn sonst würde das Piepchen hier nicht liegen."

"Es kann ja mal vorkommen, dass ein Vogel die Fransen zu spät gesehen hat. Und genau das ist eben passiert."

Trabbi und Fritzi waren ganz traurig. Sie saßen im Haus hinter dem Terrassenfenster und schauten auf den Vogel. Trabbi erkannte den Vogel, es war ein Rotkehlchen.

"Trabbi, was wird denn nun aus ihm, buddelt Indira ihn auf dem Tierfriedhof ein?"

"Na klar, genauso wird es gemacht mit den toten Tieren in unserem Garten."

Plötzlich schrie Trabbi: "Frauchen, Frauchen, komm schnell. Das Vögelchen bewegt seine Beine."

Und richtig: Ganz langsam öffnete es seine Augen, dann hob es seinen Kopf. Es ging alles ganz langsam. Acht Augen beobachteten das Rotkehlchen, Herrchen, Frauchen, Trabbi und Fritzi. Und Herrchen hatte auch noch Zeit, das Vögelchen zu fotografieren.

Plötzlich richtete sich das Rotkehlchen auf und stand auf seinen Beinen. Dann schüttelte es sich, schaute seine Zuschauer an – und flog davon.

"Wir wünschen dir alles, alles Gute", riefen Trabbi und Fritzi dem Vogel hinterher.

(eine wahre Geschichte aus dem Müggelwald)