Ein Luftballon schwebte über Müggelheim

von Pamela Hauth

Diese Geschichte beginnt auf einer Kindergeburtstagsparty in Hamburg. Zu dieser Party ist auch Simone, damals 14 Jahre alt, eingeladen. Am Ende der Feier dürfen sie und die anderen Geburtstagsgäste die an der Decke schwebenden Luftballons zu Trauben zusammenbinden und einen Zettel daran binden. Diese Luftballontrauben werden draußen fliegen gelassen. 

Es ist Herbst im Jahr 1985 als Kerstin, damals 12 Jahre alt, mit ihrem Hund im Müggelheimer Wald spazieren geht. Sie beschließt den Weg an der Krampe entlang zu gehen. Dort findet sie direkt auf dem Weg liegend ein Stück Papier mit kleinen Luftballons dran. Auf dem Papier stehen ein Name, eine Adresse und die Bitte, dass sich der Finder des Zettels melden soll. Kerstin, die am Anfang zweifelt, schreibt irgendwann einen ersten kurzen Brief und schickt ihn nach Hamburg.

Später in Hamburg, ist besonders der Papa des Geburtstagskindes darüber erstaunt, dass die Luftballons es unversehrt über die Deutsche Grenze geschafft haben. Simone schreibt zurück und nimmt Kerstin damit den letzten Zweifel. Das Mädchen in Hamburg gibt es wirklich.

Die beiden sehen und hören sich zum ersten Mal 1987. Simone kommt mit ihrer Mama nach Müggelheim, um Kerstin und ihre Familie zu besuchen. Beide sind sehr nervös. Simone ist das erste Mal in der DDR. Sie erinnert sich noch gut an die Kaufhalle in Müggelheim. Dort war sie sehr erstaunt über die unverpackten Zahnbürsten, die sie im Regal liegen sah. Zahnbürsten mit scharfen Borsten, die für sie wie abgebrochen aussahen. Auch das knappe Angebot an Obst und Gemüse sowie die vielen Einweggläser und Konserven sind ihr in Erinnerung geblieben. Simone erfuhr auch von dem einzigen in der Umgebung befindlichen Telefon, welches auch die Nachbarn benutzen durften. Und sie staunte über diese Unterschiede zu Hamburg. Kerstin zeigte ihr Müggelheim und vor allem den Fundort des Luftballons. Die beiden Mädchen werden zu Freundinnen.

Bis sich 1989 durch den Fall der Mauer die Türen für die beiden öffneten, haben sie sich zwei Mal gesehen und unzählige Briefe geschrieben. Seit 1989 besuchen sie sich zwei bis drei Mal im Jahr. Sie haben sich zu ihren Hochzeiten eingeladen und das Aufwachsen ihrer Kinder erlebt. Sie haben sich in schweren Zeiten gegenseitig geholfen und waren füreinander da.

2010 bringt Simone einen Stein aus Hamburg mit, um ihn mit Kerstin an die Stelle im Wald zu legen, an der einst der Luftballon landete. Einen schwarzen, schweren, harten Stein der ca. 40 x 25 cm groß ist. Ein Platz zwischen kleinen Bäumchen wurde für gut befunden. Sie hatten die Hoffnung er würde dort ewig liegen bleiben. 2012 war der Stein noch da. Als jedoch die Forstarbeiten 2013 begannen und die beiden nach ihrem Stein schauten, war er verschwunden. In der Hoffnung der Förster habe ihn gefunden, haben sie bei ihm geklingelt. Leider hat ihn weder der Stein noch dessen Geschichte an diesem Tag interessiert. So hat er die beiden abgewiesen. Nun ist die Bitte der beiden Freundinnen, es melde sich der, der etwas zu diesem Stein und seinem Verbleib sagen kann. Sie würden sich sehr freuen, wenn in diesem Herbst zum 30-jährigen Jubiläum des Beginns ihrer Freundschaft ihr Stein wieder da wäre.