Serie für den Natur- und Gartenfreund

Ein besonderer Garten

von Marianne Schäfer

Ein kleines Gespräch am Gartenzaun führte dazu, dass die heutige Besitzerin mir ihren Garten, am Gosener Damm zeigte. Die Straßenfront begrenzt ein schmiedeeiserner Zaun, in dem sich zwei große Tore und ein kleines Türchen befinden.Dicht dahinter steht eine dichte Eibenhecke. Sie verdeckt den unteren Bereich des Hauses. Das Grundstück ist stark abschüssig. Der Boden des späteren Hauses wurde mit Schutt und Sand angehoben. Auch der Gosener Damm wurde in dieser Zeit, bei dem Bau der Straße nach Gosen aufgeschüttet. Das Haus wurde 1892 vom Baugewerbsmeister Seeger gebaut. Die breite Einfahrt war einst mit Steinen gepflastert, die aber längst von einem Grasteppich bedeckt sind.

Wir gingen lebhaft erzählend am überdachten Hauseingang vorbei. Zehn Stufen führen vom Vorbau zur Haustür. Blühende Fuchsien schmücken den Eingang. Den Blick in Richtung Krampe gerichtet, die aber nicht zu sehen war, gingen wir im Schatten der mächtigen Bäume. Mit jedem Schritt weiter tauchte ich in die Vergangenheit der Gründerzeit ein. Die Besitzerin erklärte mir, dass der Architekt Leberecht Thon aus Friedenau diese Villa mit Garten am 22. September 1909 von dem Erbauer und Vorbesitzer Gustav Seeger gekauft habe.

Friedenau – ich sah in Gedanken meine Kinderheimat. Friedenau war aus einem Rittergut gerade erst 1871 gegründet worden. Die Kolonie war damals ein großzügig geplanter, neuer Wohnort bei Berlin. In dem jungen Ort Friedenau sagten die Bürger: "Hier is nischt als Jejend". Jedoch siedelten sich später gerade hier viele berühmte Künstler an. Ahnte der Architekt Thon, wie schnell sich Friedenau, zwar überwiegend durch "betuchte" Bürger, entwickeln würde? Bei unserem Dorf, an der stillen Großen Krampe sah er wohl nicht diese Entwicklung voraus. Aber ein gewisses Niveau, eventuell wie in Friedenau, wollte der Architekt Thon schon haben. Er entschied sich wegen des leichten, Gründerzeit Stils für dieses Gebäude.

Wir gingen weiter, nur ein kurzer Blick auf die Hausseite, die dem Wasser zu gewand ist. Hier sah ich eine sehr hübsche Veranda mit halbrund gebogenen Fenstern. Die Besitzerin erzählte mir noch, das einige Kriegsschäden, welche durch eine Brandbombe entstanden waren, baulich beseitigt werden mussten. Schlanke Serbische Fichten und ein alter Ilex standen als Gruppe, um eine Geschlossenheit vor einer Rosenrabatte zu haben.

Insgesamt dominieren auf dem Grundstück die prächtigen Linden, und Eichen. Ein honigsüßer Duft lag in der Luft, die Linden blühten gerade. Wir gingen einen geraden, breiteren Weg in Richtung Wasser. Das abschüssige Gelände war in drei Ebenen gestuft. Jeweils führten ein paar breite Treppenstufen hinunter zur nächsten Ebene. Einige Pflanzkübel mit blühenden Pflanzen gaben Farbtupfer in das Grün. Überwiegend waren die Flächen begrünt mit Rasen. Ehemalige Rabatten mit Einfassungen waren mit Efeu bewachsen. Diese waren aber sauber beschnitten, so dass insgesamt alles einen gepflegten Eindruck machte. Ich empfand hier Ruhe und Gelassenheit.

Die Besitzerin sagte, dass Herr Thon damals besonders an der Wasserfront einige Dinge hat bauen lassen. Wichtig war ein kleines Pumpenhaus, so dass das Wasser aus der Krampe zum Bewässern des Gartens möglich war. Für die angenehmen Stunden im Sommer ließ er einen Gartenpavillon, in Ufernähe errichten.

Auf einem Postkarten-Foto von 1935, welches von einem Flugzeug aus gemacht wurde, waren deutlich alle Gebäude am Ende der Großen Krampe zu sehen. Das große Sporthaus zur Großen Krampe mit dem Biergarten, den beiden Baracken von der Gewerbeausstellung, dem Stallgebäude und dem großen Biergarten mit den Kastanien. Auch die Uferbefestigung mit dem großen Dampfersteg und den Stegen für die Sportboote war zu sehen. Deutlich sieht man die drei Villen am Gosener Damm. Die Villa nach dem Gaststättengelände, die einst dem Kapitän Dauk gehörte, dann die Villa des Herrn Thon. Dann folgt noch eine größere Villa, dessen einstigen Besitzer ich nicht benennen kann. Nur so viel, dass diese prächtige Villa nach dem Kriegsende abgerissen und im Stil "Werkstein" aufgebaut wurde. Es war sehr bedauerlich, dass der neue Besitzer kein Verständnis für den kulturellen Wert des einstigen Gebäudes hatte.

Auf dieser Postkarte ist auch deutlich der Uferbereich nach dem Troppenz-Gelände zu sehen. Breite Schilfgürtel mit nur schmalen Ausschnitten für ein kleines Boot und auch das Badehaus des Herrn Thon. Wichtig war auch eine Uferbefestigung, für die Herr Thon eine Genehmigung beantragen musste. Heute existiert die hohe Uferbefestigung nicht mehr. Das natürliche Ufer ist der Besitzerin lieber.

Als besonderes Schmuckstück ließ der Besitzer eine runde, große Schale anfertigen, in deren Mitte eine Fontäne sprudelte. Letzteres war auf der Postkarte nicht zu sehen, weil schon damals viele Bäume gepflanzt waren. Die Besitzerin führte mich auf dem zweiten Weg, weiter östlich, wieder nach oben. Ziemlich zur Grundstückegrenze sah ich verwundert ein hübsches, kleines Gewächshaus. Erklärend sagte die Besitzerin, dass das alte Gewächshaus total unbrauchbar war. Sie ließ an selber Stelle ein ebensolches aufbauen. Ich sah etliche, gesunde Tomatenpflanzen, mit reifenden Früchten ohne "Braunfäule" darin.

Durch die tief hängenden Äste der Linden und der riesigen Kiefer kann man schon etwas den einstigen Pferdestall sehen, welcher mit gelben Klinkersteinen gebaut ist. Die Remise für die Kutsche und das Heu wurden entfernt, weil man das alles nicht mehr brauchte. Dabei muss man wieder an die damalige Zeit, also vor gut 120 Jahren denken. Damals gab es noch kein Auto, also brauchte man etwa zwei Pferde, eine Kutsche und einen Kutscher. Dieser hat wahrscheinlich gleich ein Zimmer im Souterrain des Hauses bewohnt.

Wieder oben am Gartentor angelangt, sah ich mich noch einmal um. Ich hatte das Gefühl, das ich in eine andere Zeit eingetaucht war, ein kleiner Hauch von Damals, oder war es der Duft der Linden? Es war eine Freude und ich dankte der Besitzerin, dass ich diesen Garten sehen konnte.