Immer häufiger im Alleingang

Neues aus der Bezirksverordnetenversammlung im Januar

Die vergangene Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 25. Januar begann mit einem Gedenken an den wenige Tage zuvor im Alter von 73 Jahren verstorbenen Bezirksverordneten Ernst Welters. Er hatte bis zuletzt den Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen geleitet.
Danach verlief die Sitzung recht turbulent. Dies lag nicht allein an den zu behandelnden Anträgen, sondern auch am Ablauf der Sitzung insgesamt. Mehrere Anträge wurden, statt sie wie üblich in die Fachausschüsse zu überweisen, mit der rot-rot-grünen Mehrheit in der BVV sofort beschlossen. Fachlichen Qualifizierungen oder dem Werben bei Antrags-Skeptikern wurde entgegen der langjährigen Praxis von SPD, Linken und Grünen einfach ausgewichen.
Eine lebhafte Diskussion entspann sich über einen Antrag zur Einführung von „anonymen Bewerbungen” im Bezirk. (Erklärung der Redaktion: Das sind Bewerbungen ohne Angabe von Namen, Alter, Religion, Familienstand und ohne Foto, um auf diese Weise Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren vorzubeugen. In Staaten wie den USA oder Kanada ist das auf freiwilliger Basis in vielen Unternehmen schon üblich, und in Belgien ist dieses Verfahren seit Jahren Standard im Staatssektor.) CDU, FDP und AfD kritisierten, dass die Befürworter des Antrags keine klaren Vorteile nachweisen konnten, der Antrag selbst aber zu einem großen Mehraufwand für den Bezirk führen würde. Daraufhin zitierten Sprecher der SPD teils ohne Nennung von Quellen und teils unter Weglassung der gegen den Antrag sprechenden Fakten verschiedene Studien. Auf den Vorwurf des unwissenschaftlichen Arbeitens erwiderte die SPD, dass sie einfach etwas für die Gleichberechtigung tun würde und warf den Gegnern des Antrags mangelnde Sensibilität im Umgang mit Gleichberechtigung vor. Einer ihrer Redner erklärte es mit den angeblich zu niedrigen Frauenquoten in den Fraktionen. Allerdings: Beide Bezirksstadträte der SPD sind Männer; der Bezirksverordnetenvorsteher (ebenfalls von der SPD gestellt) ist ein Mann und der Fraktionsvorsitzende der SPD ist ebenfalls ein Mann, der sich in einer Kampfkandidatur gegen eine Frau durchgesetzt hatte. Auch der Vertreter der Linken im Bezirksamt sowie deren Fraktionsvorsitzender sind Männer. Die einzige Frau im Bezirksamtskollegium ist Schulstadträtin Flader (CDU) ...
Ein dagegen einstimmig gefasster Beschluss war die Wahl des Beauftragten für Menschen mit Behinderung. Stefan Schaul erhielt die Stimmen aller anwesenden Bezirksverordneten. Seine Vorgängerin, die wohl Dienstälteste mit dieser Aufgabe in Berlin geht in den Ruhestand.
Das Bezirksamt brachte der BVV unter anderem einen Beschluss zur Kenntnis, dass zum 1. Januar 2018 eine neue Jury zur Verleihung der Bürgermedaille des Bezirks Treptow-Köpenick eingesetzt wurde. Die bisherige Jury war unter anderem als zu politisch besetzt kritisiert worden, insbesondere, nachdem im vergangenen Jahr der ehemalige inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Dr. Hans Erxleben, diese Medaille erhalten hatte. CDU, FDP und AfD waren damals der Verleihung demonstrativ ferngeblieben.
Ein weiterer strittiger Antrag – von SPD, Linke und Grünen eingereicht – forderte den staatlichen Ankauf von Wohnungen und Mietsiedlungen. Argumentiert wurde mit Überschüssen im Berliner Landeshaushalt und damit, die Eigentümer von Wohnraum „unter Druck setzen” (Zitat: Bezirksverordneter Uwe Döring (Linke)) zu können.
CDU, FDP und AfD forderten die Qualifizierung des Antrags in den betreffenden Fachausschüssen. Linke, SPD und Grüne lehnten ab und beschlossen den Antrag im Alleingang, ohne auf die Gegenargumente weiter einzugehen.
Die nächste BVV findet am 01. März statt.
Martin Hinz (CDU-Bezirksverordneter), Tel.: 0160-93 74 29 66 oder MartinHinz_BVV@gmx.de