Baugeschehen in Müggelheim

Die Geschichte der Kita Bienenhaus

Von Dr. Michael Braun, Hönow

Die Kita Bienenhaus heute, ein Gebäude mit Geschichte

Am Anfang des Krampenburger Weges steht ein Gebäude, welches nicht so recht mit den benachbarten zusammen passen will. Die klassizistische Architektur, streng symmetrisch, gleicht der eines edlen Herrenhauses. Das letztmalig 2007 restaurierte Haus beherbergt seit mehr als 60 Jahren eine Kita. Eine langjährige Leiterin hatte Gelegenheit, einmal die Bauakten des Gebäudes einzusehen. Nach ihrer Erinnerung waren sie aus den dreißiger Jahren datiert und mit den üblichen Insignien der Nazis versehen. Sie meint, dort könnte ein NS-Beauftragter für den Ortsteil seinen Dienstsitz gehabt haben.
So könnte das Haus eine Ortsamtsstelle, oder eine Vorgängerinstitution gewesen sein. Ortsamtsstellen nämlich sind überhaupt keine Erfindung der Nazis. Sie waren nach der Berliner Verfassung Verwaltungseinheiten für von den Bezirksbürgermeistern in Eigenregie verfügte Ortsamtsbezirke (also Bezirksteile, bzw. Unterbezirke) und unterstanden einem Bezirksvorsteher.
Ein Müggelheimer hatte vor einiger Zeit an seinem Hoftor Alt Müggelheim 5 zur Dekoration ein historisches Email-Schild „Ortsamtsstelle Müggelheim“ angebracht, weil hier der letzte Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Müggelheim, Carl Beyer wohnte. „Carl Beyer, der noch selber die Trauungen der Müggelheimer Hochzeitspaare vornahm und nach der Eingemeindung 1920 der erste Ortsvorsteher war“, wie es in der Müggelheimer Ortschronik heißt, hatte bis 1933 amtiert und ist dann durch einen Köpenicker Beamten ersetzt worden. Das Entstehungsdatum des historischen Emailschildes dürfte um 1930 liegen. Die dazugehörige Ortsamtsstelle aber befand sich in der Nr. 10, dem Eckgrundstück zum Krampenburger Weg, dort wo unsere Geschichte spielen soll.

Nazis in Müggelheim

Im Spätsommer 1937 fand eine Reihe von höchstgeheimen Besprechungen in Köpenicker Amtsstuben statt. Gesprächsgegenstand war die dezidierte „Bitte“ der NSDAP-Ortsgruppe Müggelheim, ihr für die „Errichtung eines massiven Gebäudes für Verwaltungs- und Parteizwecke“ ein geeignetes, stadteigenes Grundstück zur Verfügung zu stellen. Von den zunächst angedachten Varianten: Hirtenhaus-Grundstück und Schulacker kam man alsbald ab und fokussierte sich stattdessen auf den südlichen Teil des Ortsamtsstellen-Grundstücks am Krampenburger Weg 2.
Das dort einmal angedachte Gebäude sollte auf etwa 160 Quadratmetern Grundfläche 15 Räume besitzen, zuzüglich einer Hausmeisterwohnung im Dachgeschoss. Erreicht werden sollte dies durch eine zweigeschossige Bebauung. Gefordert war daneben ein Aufmarsch- oder Antreteplatz. Die stets klammen braunen Genossen wollten die Übereignung liebend gern über einen Erbbauvertrag realisieren, Kauf würde für sie nur notfalls infrage kommen.
Die Stadt signalisierte äußerstes Entgegenkommen. So wollte man von der 1:10-Regelung abweichen, wenn das Gebäude keinen Wohnzwecken diente. Dies hätte den „Braunen” ermöglicht, das Grundstück kleiner wählen zu dürfen. Auch die zuvor notwendige Teilung des Grundstücks handhabte man extrem zuvorkommend, ebenso eine Genehmigung für das eigentlich nicht zulässige zweite Stockwerk. Schlussendlich ist der größere, 1590 Quadratmeter-Teil des Grundstücks für 3975 Reichsmark (das sind ca. 2,50 Reichsmark/Quadratmeter) im November 1938 an die Nazis gefallen. Verzugszinsen infolge verspäteter Bezahlung sind der Käuferin 1939 im Gnadenwege erlassen worden, Gebührenfreiheit war von den Parteigenossen als Körperschaft (mussten weniger Steuern zahlen) sowieso angemahnt worden.
Die Verhandlungen von der Parteiseite hatte der stramme Ortsgruppenführer Kolletschke geführt. Er war im Ort besonders durch seine Spitzeltätigkeit aufgefallen. Objekte dafür waren vor allem seine eigenen Genossen, die durch Nichtstun beim Winterhilfswerk glänzten, der damalige Müggelheimer Nazi-Bürgermeister Karl Mathow spielte im Geschehen nur eine Nebenrolle. Nach Aktenlage soll das Gebäude – „Haus der NSDAP, Ortsgruppe Müggelheim“ – 1940 fertiggestellt gewesen sein, übrigens deutlich üppiger als in dem Entwurf vorgesehen, wie aus Aufzeichnungen des Landesarchivs hervorgeht. Was dann dort detailliert passierte, ist nicht überliefert. Müggelheim jedenfalls besaß nun ein Haus mehr. Da das Gebäude sich aber auf einem Grundstück der Ortsamtsstelle – dem Doppelgrundstück Alt-Müggelheim 10/Krampenburger Weg 2) befand, ist es wohl umgangssprachlich stets damit gleichgesetzt worden.

Nach dem Krieg

Nach dem Kriegsende haben die russischen Besatzer mit Major Rudjenko an der Spitze das Haus am Krampenburger Weg ignoriert, stattdessen ihre Kommandantur Alt-Müggelheim 14 beim Bauern Hölz installiert. In einem Plan von Müggelheim aus dem Jahr 1947 ist am Krampenburger Weg 2 die Ortsamtsstelle weiterhin deutlich markiert, ein Verweis auf die Nazi-Vergangenheit fehlt vollkommen. Ein verwaschenes Foto unseres hübschen Hauses als Ortsamtsstelle ist ebenfalls ohne Erklärung in dem heimatkundlichen Büchlein enthalten.
Demnach war der ehrenamtliche Ortsbezirksvorsteher von Müggelheim 1945 für einige Monate Johannes Michalek. Er soll dort unter einem Dach mit einer Zweigstelle des Köpenicker Wohnungsamtes amtiert haben. Die war dort der weiten Wege wegen für die Wohnungssuchenden ab Mai untergebracht. Der Wohnungsamt-Mitarbeiter Herr Strache hatte neben seiner Tätigkeit gleich die Wohnung im „früheren Nazi-Haus“ zugewiesen bekommen, was zu schweren Protesten in Müggelheim geführt haben soll. Später hat dann Herr Köhn, ein früherer Vorsitzender der Landesversicherungsanstalt von Berlin-Brandenburg, die Amtsgeschäfte im Krampenburger Weg übernommen.
Im Krampenburger Weg 2 war auch einige Zeit lang eine „Schneiderstube“ untergebracht. Dort nähten fleißige Frauen für Bedürftige. Die Nähmaschinen dafür hatte man flugs von „Nazi-Frauen“ konfisziert.
Für eine Wertermittlung von Haus und Grundstück hat das Köpenicker Finanzamt 1952 die Daten aus der Vorkriegszeit für das „Verwaltungsgebäude“ übernommen, einschließlich der 67 Meter des ein Meter hohen Staketenzauns an der Straßenbegrenzung. Jener war den neuen Eigentümern mit dem Kauf auferlegt worden. Die Zweckbestimmung des Anwesens lautete aktuell: Bürohaus (Volkshaus), Verwaltungsgebäude mit Wohnung wie es in der Chronik zu 200 Jahre Müggelheim heißt.
Ortsamtsstellen sind auch aus anderen Stadtteilen bekannt. In Rahnsdorf beispielsweise an der Fichtenauer Straße gelegen, später auch im Mühlenweg 7. In Tempelhof sind in den 30er-Jahren an Ortsamtsstellen Erweiterungen vorgenommen worden. Nach der Nazigesetzgebung mussten solche Baulichkeiten dann einen Luftschutzraum beinhalten.

Heute

Erstmals im Jahr 1949 soll ein Kindergarten in der unteren Etage des Hauses Krampenburger Weg 2 (damals „Volkshaus“ genannt) eingerichtet worden sein. Sukzessive hat der sich dann auf das gesamte Gebäude ausgedehnt, die Kinder wird es sicher gefreut haben. Die Kita-Adresse lautet heute korrekt Krampenburger Weg 2/Alt Müggelheim 10. Einen Denkmalstatus besitzt das Gebäude aktuell nicht.