Große Welle der Hilfsbereitschaft

Eine Stammzellspenderin ruft zur Hilfe für Jörn auf

von Noreen Gleue

Eine große Welle der Hilfsbereitschaft schwappt durch Müggelheim. Unter dem Motto „Kämpfen für Jörn und das Leben” wird zu einer großen Stammzellspendenaktion aufgerufen. Denn bei dem jungen Familienvater Jörn wurde Anfang 2018 plötzlich Leukämie (Blutkrebs) diagnostiziert. Nur eine Stammzellspende kann dem Müggelheimer helfen. Am Sonntag, 8. April, haben Freunde gemeinsam mit der DKMS deshalb eine große Spendenaktion organisiert. Zwischen 11 und 16 Uhr kann jeder in der Skaterhalle Mellowpark (An der Wuhlheide 250-256) seine Speichelprobe abgeben – so einfach kann Leben retten sein.
Charlott Marie Prediger ist bereits bei der DKMS als Spenderin registriert. Sie spendete bereits 2016 für einen leukämiekranken 10-jährigen Jungen und sie würde es immer wieder tun. „Leider sind viele Menschen nicht aufgeklärt, wie so eine Spende wirklich abläuft“ erzählt die junge Mutter von zwei Mädchen. „Viele denken immer noch, dass die Stammzellen über das Rückenmark entnommen werden, aber das stimmt einfach nicht. In Wirklichkeit ist es nur wie eine Blutspende. Einige unterliegen sogar dem Irrglauben, dass man bei Allergien oder einer Schilddrüsenerkrankung nicht spenden darf.“
Doch der Reihe nach: Im Jahr 2014 stirbt der Onkel von Charlott an einer Leukämie.Seit dieser Zeit denkt sie darüber nach, sich als Stammzellspenderin registrieren zu lassen. Eine starke Aktion kommt der Dauerkartenbesitzerin vom 1. FC Union zur Hilfe. Beim Heimspiel ihres Vereins nimmt sie 2015 an dem großen Spendenaufruf „Unioner gegen Krebs – Unioner fürs Leben“ teil und lässt sich dort typisieren.1800 neue potenzielle Stammzellspender werden damals registriert.
Schon nach sechs Monaten kommt ein Brief von der DKMS, dass ihre Merkmale eine große Übereinstimmung aufweisen und sie als Spender in die engere Auswahl kommt. Schnell realisierte sie, dass ihre Spende eventuell die einzige Überlebens- chance eines Menschen ist! Wenn wirklich alles passt, dann würde sie spenden, da war sie sich sicher.
Nun folgten noch einige Voruntersuchungen. Sie wurde über den gesamten Ablauf aufgeklärt und beim Hausarzt wurden ihr drei Röhrchen Blut abgezapft. Nachdem diese ausgewertet waren, stand nun endgültig fest, sie ist der genetische Zwilling eines Menschen, der sehnsüchtig auf eine Spende wartet.
Die DKMS stand ihr jederzeit zur Seite. Auch hatte sie zu jedem Zeitpunkt die Wahl, das Ganze abzubrechen, aber das war für sie keine Option. Gemeinschaftlich wurde ein Termin festgelegt, so dass sie das mit der Berufsschule und dem Arbeitgeber optimal steuern konnte. Sogar Ausfallkosten können dem Arbeitgeber durch die DKMS erstattet werden.
Nun gab es noch eine kleine Herausforderung. Sie musste sich über fünf Tage 1x täglich ein Medikament (Wachstumsfaktor G-CSF) in den Bauch spritzen. Während der Gabe des Medikaments können grippeähnliche Symptome auftreten, die aber Charlott Marie kaum wahrgenommen hat. Sie hatte weder Fieber noch Gliederschmerzen. Dieses Medikament steigert die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut, die dann über ein spezielles Verfahren direkt aus dem Blut gewonnen werden. Langzeitnebenwirkungen sind nach dem heutigen Forschungsstand nicht bekannt.
Nun folgte die eigentliche Spende. Diese wurde ambulant im Krankenhaus durchgeführt und dauerte bei der jungen Müggelheimerin vier Stunden. Am linken Arm wurde ihr das Blut entnommen, ihre Stammzellen wurden heraus gefiltert und über einen Zugang im rechten Arm bekam sie ihr Blut wieder zurück. Dieses Verfahren nennt man periphere Stammzellspende, wird bei der DKMS seit 1996 angewandt und bei 80 Prozent aller Spenden genauso durchgeführt. Die entnommenen Stammzellen wachsen übrigens nach zwei Wochen wieder nach. Manchmal dauert das Prozedere etwas länger, das entscheidet sich nach dem Größenverhältnis zwischen Spender und Empfänger.
Zum Ende der vier Stunden kribbelten Charlott Marie etwas die Fingerspitzen und Zehen. Das sind typische Nebenwirkungen, die schon nach einigen Stunden wieder abklingen. Auf Kosten der DKMS konnte sie dann mit ihrem Mann Essen gehen. Nach der Stärkung folgte noch ein kurzer Gesundheitscheck. Dann ging es zwar erschöpft, aber auch mit einem unendlich guten Gefühl wieder nach Hause.
Noch auf dem Heimweg bekam sie die Nachricht, dass die gespendeten Stammzellen für den Empfänger reichen. Außerdem bekam sie telefonisch Auskunft über das Geschlecht, Alter und Nationalität des Patienten. Sie wusste also ab dem Tag der Spende, dass ihre Stammzellen für einen 10-jährigen Jungen aus Ungarn gebraucht wurden.
Ein anonymer Kontakt (E-Mail oder Brief) zwischen Spender und Patient ist in vielen Ländern ab dem Tag der Stammzellspende möglich. Die DKMS steht hierbei als Mittler zur Verfügung. Der erste persönliche Kontakt zwischen Spender und Patient kann in Deutschland zwei Jahre nach der Spende erfolgen. Ob man das möchte, muss jeder für sich entscheiden, denn nicht jede Spende wird vom Empfänger angenommen und man muss dann auch mit den negativen Nachrichten leben können. Aber eines ist sicher, egal wie die Spende auch ausgehen mag, jeder Spender kann sein ganzes Leben lang darauf stolz sein.
Nach der erfolgten Stammzellspende ist der Spender zwei Jahre lang für „seinen“ Patienten „reserviert“, falls dieser erneut eine Spende benötigt. Leider hat es der kleine Junge aus Ungarn nicht geschafft. Charlott Marie hat ihre Sperrfrist bereits aufheben lassen, um wieder als potentielle Spenderin in Frage zu kommen.
Sie hofft, dass am 8. April so viele Müggelheimer wie möglich in den Mellowpark kommen, um sich für Jörn registrieren zu lassen. Die Töchter der Beiden gehen in die gleiche Klasse und auch persönlich besteht ein freundschaftliches Verhältnis zu dem überaus liebevollen Familienvater.
„Ich hoffe so sehr, dass sich die Menschen angesprochen fühlen und bereit sind zu helfen. Es kann doch jeden jederzeit treffen.“ sagt Charlott Marie mit leiser Stimme. „Noch vor zwei Wochen war Jörn mit seiner Familie und seinen Freunden auf der Krampe Eishockey spielen und nun liegt er im Krankenhaus und kämpft um sein Leben.“