Erfolg für die „Spreewieser”
Siedlung wird wohl doch kein Überschwemmungsgebiet
Von Simone Jacobius
Sie haben recherchiert und gekämpft, Unterschriften gesammelt und immer wieder nachgehakt: Nun hat die lange währende Ungewissheit ein Ende. Die Siedlung Spreewiesen soll nach heutigem Stand kein Überschwemmungsgebiet werden. Falsche Fakten und Messysteme wurden nun ad acta gelegt.
Eine Einstufung als Überschwemmungsgebiet wäre quasi einer Enteignung gleich gekommen, da die Grundstücksbesitzer mit großen Einschränkungen beim Bauen oder Verkaufen der Grundstücke zu tun hätten, vom Wertverfall ganz zu schweigen. Die Anwohnergemeinschaft hat deswegen zahlreiche Einwendungen und Petitionen geschrieben, und war auch Mitte November beim Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi (Die Linke), und hat um seine Unterstützung gebeten. Ob das der ausschlaggebende Grund war, wir wissen es nicht.
„Wir haben vom Senat oft keine oder zumindest sehr schleppende Auskünfte zu unseren Fragen bekommen. Das hat uns unsicher, rat- und hilflos gemacht“, sagt Hannelore Buchholz, die für die Gemeinschaft bei Gysi war. 60 feste Bewohner und 150 Wochenendler haben ihre Grundstücke in Spreewiesen. Zum Hintergrund: Seit 2013 ist nach Bundesgesetz auch der Berliner Senat gehalten, die Hochwasserschutzgebiete neu auszuweisen und zu kartieren. Zugrunde gelegt wird dafür die durchschnittliche Wasserhöhe der letzten hundert Jahre. Der liegt für die Spreewiesen bei 32,699 Meter NHN (Normalhöhennull, also über dem Meeresspiegel). Doch die Grundstücke befinden sich nach Messungen der Siedlergemeinschaft bei mindestens 32,75 NHN, also darüber. Die Krux an der Sache ist, dass der Senat gerade neue Messungen hat machen lassen für neue Landkarten zur Festlegung der Überschwemmungsgebiete. Dafür wurde erstmals eine neue Methode, die digitale Lasermessung DGM2 aus der Luft angewandt. Und diese hat, wie aus Herstellerangaben ersichtlich ist, einen sehr großen Toleranzbereich von 15 bis 40 Zentimetern. Inakzeptabel, wenn es in diesem sensiblen Bereich bereits um wenige Zentimeter geht. Nach diesen Messungen würden die Grundstücke größtenteils hochwassergefährdet sein.
Das wollten die Anwohner nicht hinnehmen. Denn dieses Ergebnis würde zu einer massiven Benachteiligung der Bürger führen, und so manch Altersvorsorge in Luft auflösen. Sie haben deshalb 2015 ordnungsgemäße terrestrische Messungen vor Ort durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur durchführen lassen. Danach liegen die Grundstücke nicht im Risikogebiet. Auf zahlreiche Eingaben und Petitionen erhielten die Bürger jedoch weder vom Abgeordnetenhaus noch von der Senatsverwaltung eine Antwort. Deswegen nun der Gang zu Gysi. Und der hat einen Brief an Umweltsenatorin Regine Günther (für die Grünen) geschrieben.
Die Einstufung als Risikogebiet basiert laut Anwohnern auf falschen Angaben: Es wurden zwei Hochwasserereignisse der letzte einhundert Jahre /1945/46 und 1975)herangezogen, die nicht zu halten waren. Nachfragen beim Senat ergaben, dass Verantwortliche keine Auskunft über die Ursachen dieser Hochwasser geben konnten. Ältere Anwohner aber wissen, dass der Wasserstand der Müggelspree ausschließlich über Schleusen und Wehre geregelt wird, die aber 1945 – kriegsbedingt – nicht funktionstüchtig waren. 1975 gab es einen Verständigungsfehler zwischen Schleusenwärtern, der von den DDR-Behörden auch ermittelt wurde. Die Anwohner beklagen, dass Ereignisse für ein Risikogebiet herangezogen werden, die gegenwärtig nicht mehr eintreten können, weil es ein automatisiertes Schleusensystem gibt.
Hinzu kommt, dass die drei Meter tiefen Uferschutzwände im Jahr 2020 ohnehin erneuert werden müssen und nach Aussage von Fachleuten problemlos noch um 30 Zentimeter erhöht werden könnten. Im Zusammenspiel mit dem automatisierten Schleusensystem würde die Hochwassergefahr komplett gebannt sein.