Morgenröte in Korea?

Lebhafter Vortrag zur Willkür dieses geteilten Landes

von Bernhard Jurisch

Wie in der Februar-Ausgabe des Müggelheimer Boten angekündigt, fand am
13. Februar im Dorfklub eine Informationsveranstaltung mit Dr. Erik Balbach vom Institut für koreanische Studien der FU Berlin (IKS) zur Krisenregion Nordkorea statt. Das Land beherrschte wegen der sich verstärkenden Provokationen und der Verstöße gegen UN-Resolutionen (Tests von Atom- und Wasserstoffbomben und Interkontinentalraketen sowie Drohungen, die USA mit diesen Waffen attackieren zu können) seit Monaten die Schlagzeilen. Ein regionaler Konflikt mit katastrophalen weltweiten Auswirkungen schien sich anzukündigen. Schließlich ist Asien ein immer wichtigerer Teil der Weltwirtschaft, so dass ein kriegerischer Konflikt dort sofort verheerende Folgen auch hier bei uns hätte.
Dr. Ballbach, der als Mitglied der verschiedensten wissenschaftlichen Kommissionen seit Jahren ständig dieses Land bereist und somit auch den Alltag dort kennt, war daher ein kompetenter Gesprächspartner. Da Korea – ebenso wie es Deutschland war – als Folge des 2. Weltkrieges ein gespaltenes Land ist, war wegen dieser Parallele das Interesse der Gäste an der Veranstaltung groß.
Dr. Ballbach machte jedoch deutlich, dass außer der Teilung der Länder wenig Gemeinsamkeiten bestehen, die Anlass zu Hoffnung auf eine Änderung der Situation geben könnten. Ein wesentlicher Unterschied sei, daß beide Teile Koreas von 1950 bis 1953 einen mörderischen Krieg gegeneinander führten, der tiefe Wunden geschlagen hat. In der Folge wurde der nördliche Teil der Halbinsel von den Machthabern hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen so dass nach mehr als 70 Jahren dieser vollständigen Abkapselung kaum noch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Teilen des Landes bestehen. Wie stark die 25 Millionen Menschen des Landes gegenüber Einflüssen von außen abgeschirmt sind, wird daran deutlich, dass das Land nur rund 1500 Internetanschlüsse hat, die zudem alle vom Staat kontrolliert werden.
Gibt die Entwicklung um die olympischen Winterspiele Anlass zu Hoffnung?
Dr. Ballbach leitete auch hier ein eher pessimistisches Bild aus der Geschichte des Landes ab. Infolge der Annexion der koreanischen Halbinsel durch Japan 1910, die durch eine brutale Unterdrückung der koreanischen Kultur und Sprache begleitet war, wurde das Land in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen und von den Alliierten 1945 als Feindstaat behandelt und geteilt. Dieses noch heute nachwirkende Trauma förderte eine Haltung des „nie wieder“ auf andere zu vertrauen. Gerade die Haltung Nordkoreas ist durch die „3P“ (power, prestige, politics) gekennzeichnet, die durch einen massiven Aufbau des Militärs gekennzeichnet ist. Rund 40 Prozent des Bruttosozialprodukts wird hierfür verwendet. Es geht darum, nach Innen eine Identität in Abgrenzung zum Süden zu schaffen, gleichzeitig aber in der Verteidigung unabhängig von Dritten zu sein (Kuba war ein abschreckendes Beispiel für Abhängigkeit). Daher auch der starke Ausbau der Atomwirtschaft, die nicht nur zur Energiegewinnung in dem an Rohstoffen armen Land dient.
Die internationalen Versuche, die atomare Bedrohung einzugrenzen, bezeichnete Dr. Ballbach als eine Folge verpasster Gelegenheiten. Denn die Vorgänger des heutigen Machthabers seien nach Ballbachs Auffassung durchaus bereit gewesen, im Austausch gegen Öl auf den Ausbau der Nukleartechnik zu militärischen Zwecken zu verzichten (Clinton und Bush). Letztlich scheiterten all diese Versuche aber an der Frage der Überprüfung der Abrüstung, gegen die Nordkorea sich wehrte.
Obwohl Nordkorea wegen der Aggressivität der Machthaber nicht nur durch direkte eigene Aktionen, sondern auch durch die ausgelöste Rüstungsspirale in der Region, den Nachahmereffekt und Waffenverkäufe durch Nordkorea eine reale Gefahr darstellt, sah der Referent wenig Möglichkeiten, auf das Regime einzuwirken.
Eine kriegerische Auseinandersetzung kann niemand ernsthaft wollen, da bereits in den ersten zehn Minuten eines Krieges selbst bei einem Verzicht auf Atomwaffen allein in der nah an der Grenze gelegenen Region um Seoul 250.000 Menschen um ihr Leben kämen. Und ein Erstschlag, mit dem Trump drohte, würde zwar einen großen Teil der Bevölkerung, kaum aber die in den Bergstollen vergrabene Militärmaschine vernichten. Die Sanktionen haben bisher nicht gegriffen, die Wirtschaft Nordkoreas wächst und das Land raubt zur Geldbeschaffung mit einem Heer von Computerhackern Banken der Nachbarländer aus, und handelt mit Drogen und Waffen. Die Hoffnung auf einen Kollaps des Regimes wird sich nicht erfüllen. China hätte zwar durch einen Stopp der Öllieferungen die Möglichkeit dazu, will aber einen Zusammenbruch des Landes verhindern, weil es befürchtet, von Millionen an Flüchtlingen überflutet zu werden. Außerdem befürchtet China, im Falle einer Wiedervereinigung des geteilten Landes mit Hilfe der USA die amerikanischen Truppen unmittelbar an seiner Grenze zu haben.
In der lebhaften Diskussion gab es jedoch Widerspruch zu diesen düsteren Visionen wegen der eigenen Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der DDR, aus der man Hoffnung auch für diesen ausweglosen Fall schöpfte. Mögen sie Recht haben!