Die Mahnwache am Friedensstein

Zum Abschluss der Friedensdekade trafen sich wieder Politiker und Christen zum Gedankenaustausch auf dem Dorfanger

JACOBIUS

Unter dem Motto „Sicher nicht – oder?“ hat der Umweltkreis der ev. Kirchengemeinde Müggelheim zur diesjährigen Mahnwache am Buß- und Bettag aufgerufen. Schon seit vielen Jahren organisiert der Umweltkreis diese Mahnwachen, bei denen Bürgerinnen und Bürger, parteilose Menschen, Vertreter von Parteien sowie die Pfarrerin Anke Schwedusch-Bishara dem Aufruf der Ökumenischen Friedensdekade gefolgt sind und ihre Meinungen öffentlich kundgetan haben. 

Die Bezirksverordnete der SPD, Sabine Bock, trug am Friedensstein die Resolution der Bezirksverordnetenversammlung vor, die von SPD, CDU, Die Linke, B‘90Grüne, Tierschutzpartei und FDP verabschiedet wurde (siehe BVV-Text, Seite 4) 

Bernhard Jurisch sprach am Stein für die CDU. Hier seine freie Rede in Auszügen: 

„Der amerikanische Schriftsteller und Hochschullehrer David Foster Wallace hatte einem Vortrag für seine Studenten diese kleine Fabel vorangestellt: 

An einem schönen Sommermorgen schwammen in einem großen See zwei junge Fische nebeneinander, als ihnen ein großer, älterer Fisch entgegenkam. Als er die jungen Fische erreicht hatte, wandte sich der große Fisch ihnen zu und fragte: „Na, wie ist das Wasser?  Die beiden Jungen sahen sich irritiert an und schwammen wort- und grußlos weiter. Als sie außer Hörweite waren, brach es aus Einem hervor: „Was, zum Teufel, ist Wasser?“

Wallace wollte mit diesem Gleichnis deutlich machen, dass wir – wie die beiden jungen Fische – das Element, in dem und von dem wir leben, häufig überhaupt nicht wahrnehmen, es für selbstverständlich halten; für etwas, worauf man einen Anspruch hat, ohne etwas dafür tun zu müssen. Und so kann man an die Stelle von „Wasser“ in diesem Gleichnis gut Demokratie oder auch Sicherheit setzen.

Wir Menschen leben heute dicht beieinander in großen Gemeinschaften, die nur dann funktionieren und nicht in einen Kampf gegeneinander entarten kann, wenn für dieses Miteinander Regeln gelten und es Organisationen gibt, um diese Regeln durchzusetzen. In der Demokratie geben wir uns diese Regeln selbst durch Mehrheitsentscheidungen, die aber auch für diejenigen Gültigkeit haben, die den Regeln nicht zugestimmt haben. Wenn einige, die sich für „aufgewacht“ halten, Demokratie nur dann für gegeben ansehen, wenn ihre eigenen Ideen, Vorstellungen und Regeln durchgesetzt sind, streben sie nicht nach Demokratie, sondern nach Diktatur; nämlich ihrer eigenen.  Wollen wir das? – Sicher nicht – oder?”

Der folgende Beitrag wurde vom Umweltkreis in der Ev. Kirchengemeinde Müggelheim verfasst und vorgetragen:

„Dass wir heute an diesem Stein stehen können, geht auf eine gedankliche Anregung unter anderem von Hans Zinnow zurück. In die Wirklichkeit umgesetzt wurde dies dann von Menschen im Umweltkreis in der Ev. Kirchengemeinde Müggelheim. Bewusst wurde als Ort für den Friedensstein die unmittelbare Nähe zur Kirche gewählt. Der Bezug der Christen zum Frieden sollte so deutlich werden 

Seit Jahren wurde hier zum Ausdruck gebracht, dass wir gegen militärische Gewalt stehen sowie auch gegen Rüstungs- und Waffenexporte in alle Welt. Denn Waffen schaffen niemals mehr Sicherheit.

Das heutige Geschehen entspricht aber nicht dem Vorangesagten! 

Uns quält die Frage: Haben wir eine Zuständigkeit Problemen und Erscheinungen in Europa und der Welt gegenüber? 

Haben wir Partei zu ergreifen in einem Konflikt zwischen zwei slawischen Völkern? 

Haben wir zu erklären, dass eine der beiden Seiten einen gerechten Krieg führt?

Sind wir verpflichtet, eine eventuell den gerechten Krieg führende Partei mit Waffen zu unterstützen?

Dazu wollen wir Erasmus von Rotterdam hören, der schon 1517 schrieb: „Kaum kann je ein Friede so ungerecht sein, dass er nicht besser wäre als selbst der gerechteste Krieg.“

Wir sind im Umweltkreis dieser Auffassung:

Wir haben keine Allerweltsverantwortlichkeit oder Zuständigkeit. Demzufolge haben wir in fremden Konflikten keine Partei zu ergreifen. Es schmerzt uns sehr zu sehen, wie sich in Kriegen Menschen verletzen und töten, die doch unter anderen Umständen gut gelittene Nachbarn hätten sein können.

Barenboim hat vor kurzem unter anderem ausgeführt: „Unsere Friedensbotschaft muss lauter sein denn je! Sie muss als Basis dieses Grundverständnis haben: Es gibt Menschen auf beiden Seiten. Menschlichkeit ist universell. Die Anerkennung dieser Wahrheit auf beiden Seiten ist der einzige Weg!

Auch wenn man an vielen Orten verschiedene Auffassungen haben kann, vieles sagen kann, sollten doch hier am Friedensstein nur solche Aussagen erfolgen, die unserem Wunsch nach Frieden, Nichtaggressivität und Zurückhaltung entsprechen.

Wir hoffen, dass wir in einem Jahr wieder hier am Friedensstein stehen und dann feststellen können: Konflikte sind weniger geworden. Die Zahl der Opfer ist gesunken. Die Spannungen in unseren Beziehungen haben abgenommen.”