Großartiges Konzert

„Klänge für die Ukraine” wartete mit zwei völlig unterschiedlichen Profimusikern auf. Und es wurde fleißig gespendet

Von Simone Jacobius

Es war sehr emotional und so manche Träne floss. Das Konzert „Klänge für die Ukraine” am 13. April in der Müggelheimer Dorfkirche brachte die Emotionen zum Kochen. Es wurde geweint, gelacht, gejubelt. Im Wechsel spielten die Singer-Song-Writerin Darian Shinkarenko (Dasha) mit ihrer Gitarre und der Orchestermusiker Timofeij Medoliz. Beide kommen aus der Ukraine und leben seit den Anfängen des Krieges in Berlin.
Dabei hätten die beiden Künstler nicht unterschiedlicher sein können. Dasha eröffnete das Konzert mit ihrer warmen, gefühlvollen Stimme. Die Texte, die von ihr zum Teil selbst verfasst wurden, wurden von der Moderatorin der Veranstaltung, Hilla Uppenkamp, kurz zusammengefasst ins Deutsche übersetzt. Die verbindende Sprache war in diesem Falle Englisch, denn mit dem Deutsch ist es bei den beiden Künstlern noch nicht so weit. So handelte der erste Song von Dasha vom Frühling und der Liebe – und davon, wie einsam man unter vielen Menschen sein kann, wenn der Eine nicht bei einem sein kann.
Das zweite Lied hat die Sing-a-song-writerin bereits mit 16 Jahren, also im Jahr 2016 geschrieben. Es hat den einfachen Titel „Ukraine” und handelt vom Krieg, davon, dass Soldaten sich an die Front verabschieden, dass der Zusammenhalt wichtig ist, auch „wenn der Geruch der Blumen vergessen ist.” Sie besingt die Ukrainer, die nicht aufgeben werden und zieht in dem Lied den Schluss: „Eines Tages werden alle zurückgekommen sein, man hört Kinderlachen, und der Himmel wird friedvoll sein” – welch schöne Aussicht!
Der erst 19-jährige Timofeij Medoliz stammt aus einer Musikerfamilie. Seine Laufbahn als Profimusiker war eigentlich vorherbestimmt. Doch der Krieg verschlug ihn nach Berlin, hier studiert er jetzt und spielt gleichzeitig im Jugendorchester der Ukraine. In Müggelheim zeigte er auf der Querflöte sein erstaunliches Können, das sich sowohl durch Vielseitigkeit als auch durch Spontaneität auszeichnet. Er begann mit einem Künstler des Barock, George Philipp Telemann (1681-1767), und spielte seine „Fantasie No. 12 für Soloflöte”. Danach wurde es etwas moderner, als Timofeij den Schweizer Komponisten Arthur Honegger (1892-1955) spielte. In dem Stück „Dance de la Chevre“ (Tanz der Ziege) sah man durch die Musik förmlich ein Zicklein über die grasbewachsenen Hügel toben.
Im zweiten Auftritt von Dasha gab es eine Überraschung: Olekseij, ein Freund der Familie, der mittlerweile in den Niederlanden wohnt, kam zur Unterstützung und spielte die zweite Stimme – sowohl mit seiner E-Gitarre, als auch mit seiner tiefen Stimme. Gemeinsam spielten sie zwei Lieder der berühmten ukrainischen Rockband „Okean Elzy“, die 2021 zum Unabhängigkeitstag ein Konzert vor 100.000 Menschen spielte.
In dem Lied „In der Schusslinie” geht es um Liebe und Verlangen, wenn der Partner an der Front ist. Doch nicht nur die kriegsbedingte Trennung spielt eine Rolle in dem Song, sondern auch generell das Leben in einer Beziehung, dass mit seinen Höhen und Tiefen einem Leben in der Schusslinie gleicht.
In „Stadt des Frühlings” geht es um den typischen Geruch der Stadt Lviv, die berühmt ist für den Geruch nach Kaffee, der die Band in ihre Träume verfolgt. Das Fazit des Traumes (und des Liedes): Es gibt keinen besseren Platz als die Heimat, denn dort kann man frei atmen.
Der zweite Auftritt des Querflötisten Timofeij blieb mit Astor Piazolla (1921-1992) in der Moderne. Er hat den „Nuevo Tang” also den neuen Tango entwickelt, der Elemente von Jazz und westlicher klassischer Musik mit einbindet. Auch in „Tango-Etüde No. 3” sind die typischen Tango-Rhythmen deutlich herauszuhören. Das anschließende Werk von Claude Debussy (1862-1918) hieß „Syrinx”. Dabei handelte es sich um ein Thema aus der griechischen Mythologie, das tiefe emotionale Nuancen hatte.
Überraschend und sicherlich dem jungen Alter geschuldet: Die Zugabe von ihm gab es bereits, ohne dass sie vom Publikum eingefordert wurde. Aber die etwa 70 Zuhörer waren auch so begeistert und freuten sich über das Stück des Ukrainers Zoltan Almasi (1975-). Er schrieb das Werk „pastorale” mitten im Sommer, wovon auch die maximale Freude in dem Stück zeugt, die man spürt, wenn man sich im Sommer mitten in der Natur befindet. Der Komponist und Cellist hat sein Werk den „ökologisch, sauberen Flecken” unserer Erde gewidmet.
Nachdem er bereits eine Zugabe gegeben hatte, wurde zum Abschluss auch eine von Dasha eingefordert, die sich spontan für noch ein Stück von Okean Elzy entschied – und spontan blieb Timoteij mit vorne und spielte die Begleitung ihres Stückes. Zwei junge Künstler, deren Musik nicht unterschiedlicher sein kann, die noch nie gemeinsam gespielt und sich erst einmal am Tag der Probe gesehen haben. Die Begeisterungsstürme waren riesig. Wer schon vor dem Konzert etwas in die Spendenbox geworfen hatte, machte es nach dieser Zugabe gleich noch einmal. Denn die Künstler traten kostenlos auf. Es wurde um Spenden für die notleidende Bevölkerung direkt an der Front gebeten, sozusagen ihre Unterstützung der Heimat. 930 Euro kamen insgesamt zusammen. Die Dankbarkeit der anwesenden Ukrainerinnen (die im übrigen auch spendeten) war riesig, die Begeisterung der Zuschauer reichte von „wunderschön und sehr berührend” über „genial” bis zu „ein bewegendes Konzert”. Falls die beiden Künstler noch einmal in Müggelheim auftreten sollten, kann ich es nur jedem empfehlen.